Die Vormachtstellungen der Plattformen eBay, Amazon und Co. sind im Onlinehandel nicht zu unterschätzen. Händler, die auf diesen Plattformen handeln, müssen sich meist den Geschäftsbedingungen der jeweiligen Plattform unterwerfen. Diese Geschäftsbedingungen unterliegen meist ausländischem Recht, was bei Streitigkeiten für viele gewerbliche Nutzer dieser Plattformen ein großes Problem darstellt.
Oft kann nur im Ausland geklagt werden, unter sehr undurchsichtigen Bedingungen.
Der Vorgang geht schnell
Meist kommt es unerwartet und plötzlich.
Der Online-Händler erhält eine kurze E-Mail mit folgendem Hinweis:
- sein Konto sei dauerhaft gesperrt
- man würde das Guthaben nicht auszahlen
- es gebe keine weitere Korrespondenz
- bis zur Prüfung des Vorgangs würde jede weitere Kontaktaufnahme ignoriert werden
Unter Umständen verlangt der Plattformbetreiber/Versandhandel von den Betroffenen Einkaufs-Rechnungen und die Herausgabe von Informationen über Bezugsquellen der Waren. Werden diese vorgelegt, bleibt das Konto dennoch weiterhin oft gesperrt. Meist werden Gelder in Höhe von mehreren 10.000 € oder mehr einbehalten.
Für einen reinen Online-Händler, welcher den Großteil seines Waren-Vertriebs über diese Online-Plattform regelt, ein Insolvenzurteil.
Der Fall
In unserem Fall ging es um einen Versandhandels- und Plattformbetreiber, der mit seinen Online-Händlern eine Vereinbarung nach luxemburgischem Recht trifft.
Das luxemburgische Recht bietet dem Konzern hier eine größere Schutz-Möglichkeit. Der Versandhandelsgigant besteht aus mehreren verschiedenen Unternehmen. Die einzelnen Standorte in verschiedenen Ländern sind oft nicht die korrekten Ansprechpartner, was das rechtliche Vorgehen zunehmend verkompliziert. Bei dem Unternehmen, welches Guthaben einfriert und Konten verwaltet, handelt es sich um eine Bank. Auf sie ist damit das europäische Bankrecht insbesondere das luxemburgische anzuwenden.
Dies trägt zu einer großen Verwirrung bei, die bei einem Rechtsstreit diesem gut aufgeteilten Konzernriesen und Plattformbetreiber zugutekommt.
Hinzu tritt an dieser Stelle ebenfalls die Sprachbarriere.
Welcher deutsche Online-Händler spricht gut genug Französisch, um sich in Luxemburg mit einem Anwalt verständigen zu können oder um dem dortigen Gericht seine Problematik darzulegen.
In mehreren Fällen fror dieser Plattformbetreiber aus unerklärlichen Gründen die Händlerkonten ein und behielt ebenfalls das darauf befindliche Guthaben, sowie oft auch die Waren.
Das Händlerkonto unserer Mandantin wurde ohne Erklärung und ohne Beweise bezüglich der Anschuldigungen, welche der Plattformbetreiber unserer Mandantin vorwarf, gesperrt; der Gewinn eines ganzen Monats einfach einbehalten.
Unsere Mandantin klagte gegen die Kontensperrung und Einbehaltung ihrer Gelder.
Das Urteil
Das Landgericht München hat am 07.10.2020 entschieden:
die Handelsplattform muss die Gelder freigegeben.
Bezüglich der luxemburgischen Gerichtszuständigkeit wurde von unserer Seite mit Hilfe des Bundeskartellamts erreicht, dass betroffene Online-Händler auch in Deutschland klagen dürfen. Das Landgericht München erkannte die Zuständigkeit der deutschen Gerichte an.
Der Plattformbetreiber konnte weder nach deutschem Recht, noch nach luxemburgischem Recht, noch gemäß der Bankenrechts-EU Richtlinie 2015/2366 nachweisen, dass ein Recht bestünde, die Gelder einzubehalten.
Ohne Beweise bezüglich der Vorwürfe, hätte der Plattformbetreiber nicht das Recht, die Gelder einzubehalten.
Das Landgericht München unterband derartige Willkürmaßnahmen gegenüber Online-Händlern auf dieser Plattform. Unsere Mandantin konnte alle Vorwürfe eindeutig widerlegen.
Das Gericht stellte sich klar auf die Seite unserer Mandantin, dem Online-Händler.
Das Urteil kann in unserer Rechtsprechungsrubrik eingesehen werden.
Der Plattformbetreiber ging in Berufung. Ein Berufungsurteil steht noch aus. Selbstverständlich halten wir sie hier auf dem Laufenden.
Ein Fall von vielen
Mittlerweile vertritt unsere Kanzlei mehrfach Mandanten in ähnlichen Fällen; Probleme mit Plattformbetreibern und Kontensperrungen.
In den meisten Fällen zeigen sich die Plattformbetreiber zum Ende hin kulant.
In mehreren Fällen, in denen wir unsere Mandanten erfolgreich vertraten, wurde ein Vergleich erzielt. Der Plattformbetreiber gab die Guthaben frei und übernahm auch die Gerichtskosten.